Folge 5: Was steckt hinter der Incal-Hetze?

Verehrte Leser!

Aufmerksame Leser dieser Kolumne werden je nach Lust und Laune auch schon mal einen Blick auf das Muttermagazin geworfen haben: Incal. Nun frage ich Sie: Ist das eine problematische oder unproblematische Behauptung? Leider ersteres, denn es gibt keine aufmerksamen Leser dieser Kolumne; es ist nicht einmal klar, ob sie überhaupt Leser hat - und schon gar nicht, ob sie jemals Leser finden wird. Nun habe ich persönlich immer Sympathien für die Meinung gehegt, daß Leser jedweder (vor allem aber aufmerksamer) Art das Handwerk des Autors nur stören. Wenn sie ihn verstehen, dann sowieso meistens falsch. Da kann man nur froh sein, daß diese Flegel ja praktisch nie etwas von dem begreifen, was wir ihnen zu denken vorsetzen! Kein Autor von Rang sollte auch nur einen Pfennig auf die Ansichten seiner Leser geben, finden Sie nicht auch? Was ich damit sagen möchte, ist: Ganz egal, welche Meinung Sie persönlich vertreten - ich werde die folgenden Gedanken in dem Bewußtsein an Sie richten, daß ich keine Leser habe und auch nie welche finden werde (außer vielleicht denen, die mir in diesem einen Punkt und nur in diesem zustimmen).

Gehen wir also gemeinsam davon aus, daß Sie diese Zeilen weder lesen werden noch jemals lesen möchten. Wie viele von Ihnen kennen in diesem hochwahrscheinlichen Fall Incal? Wahrscheinlich alle, wenn nicht sogar noch deutlich mehr. Sicher haben Sie sich dann auch schon Gedanken über die beklemmende Frage gemacht, warum dieses Magazin so verstörend wirkt und worin eigentlich sein zentrales Problem liegt. Einige von Ihnen werden der Auffassung sein, daß Incal an seiner vollkommenen Wirkungslosigkeit leidet. Niemand hört auf Incal, werden Sie vielleicht denken; der Betreiber muß doch an seiner Erfolglosigkeit verzweifeln! Leider muß ich Ihnen an dieser Stelle entgegenhalten, daß genau das nicht der Fall ist. (Nun ja, eigentlich muß ich gar nicht, ich tue es aber trotzdem!) Hinter Incal steht vermutlich ein Mensch, der im höchsten Maße nicht gehört werden möchte. Exakt aus diesem Grund legt er Wert auf gründlichste Argumentation und sorgfältigste Auswahl seiner Themen - Vorkehrungen, die nicht nur im Berufs- oder Universitätsleben schnurstracks in die Bedeutungslosigkeit führen, sondern inzwischen sogar auch schon im richtigen.

Meine Damen und Herren, das eigentliche Problem von Incal ist an einer ganz anderen Stelle zu suchen: bei seinen Autoren, insbesondere bei den Autoren der autonomen Kolumnen. Es handelt sich um jämmerlichste Schreiberlinge, die nicht einmal von sich selbst eine gute Meinung haben. Wie oft hat der Betreiber versucht, renommierte Schreiber zu finden, wie oft ist er an ihren Türen abgewiesen worden? - Nicht ein einziges Mal! Hier liegt die eigentliche Bedeutungslosigkeit verborgen. Für Incal schreiben ausschließlich verkrachte Existenzen und Menschen, denen sonst nur irrelevanteste Kreise zuhören. Diese verblüffende Kohärenz von Auditoren und Auditorium muß allerdings als große Stärke Incals gelten. Man kann mit gutem Gewissen behaupten, daß sich sowohl Leser- als auch Autorenschaft im wesentlichen aus Leuten wie Ihnen und mir zusammensetzen. Werfen Sie zum Beweis einen Blick in den Spiegel, und teilen Sie mir bitte mit, was Sie sehen. Sich selbst? Aha, genau das habe ich mir gedacht. Sie sich auch? Touché!

Man muß es doch einmal in aller Deutlichkeit aussprechen dürfen: Hinter Incal steckt nichts, aber auch gar nichts - nicht einmal genichtetes Nichts, um es in Sartres Worten zu sagen. Genau aus dieser strengsten Neutralität gegenüber allem (selbst gegenüber seiner Neutralität) erhält Incal seine Bedeutung. Das Magazin hat zu keinem einzigen Thema eine Meinung, vertritt diese aber stets mit Leidenschaft und bewundernswerter Konsequenz. Diese Tugenden, verehrte Leser, wünsche ich mir auch für das politische Berlin. Nur mit formvollendeter Inhaltslosigkeit werden wir die großen Herausforderungen der Zukunft meistern können. Insofern wendet sich Incal scharf gegen alle, die mit ihrer Meinung an die Öffentlichkeit gehen oder sie gar in Hetzmagazinen wie diesem hier veröffentlichen. Incal hat in der deutschen Politik in zunehmenden Maße absolut nichts zu sagen - und das wird auch so bleiben.

Herzliche Grüße aus Rintheim sendet Ihnen


Ihr badischer Beobachter


NB: Die Incal-REdaktion muß sich von diesem Artikel distanzieren!