Beantwortung der Frage:
Ist Sozialdemokratie heilbar?

Verehrte Leser!

Viele Theoretiker (und selbst einige hartgesottene Praktiker!) behaupten, daß die Sozialdemokratie exakt der Kern des Übels ist, zu dessen Beseitigung sie Ende des 19. Jahrhunderts ins Leben gerufen wurde. Wenn Ihnen das zu paradox klingt, sollten Sie nun wohl besser hier weiterlesen. Ich werde im folgenden jedenfalls die Auffassung vertreten, daß das Elend - wenn überhaupt! - schon viel früher begann, daß das eigentliche Problem ganz und gar nicht in der Sozialdemokratie liegt, ja daß man gar nicht von einem Problem im strengen Wortsinne sprechen kann. Gespannt, wie der Text weitergeht? Und ich erst!

Kenner der Materie sprechen mit Blick auf Franz Müntefering oder Horst Seehofer gern von der häßlichen Fratze der Sozialdemokratie. Aber läßt sich diese Position überhaupt sachlich begründen? Ja, durchaus - und zwar mit erdrückender empirischer Evidenz. Mit einer rein formalen Analyse dieser Art kommen wir allerdings kaum weiter. In der Politik geht es eben nicht nur um Gesichter, sondern oft auch um Frisuren, bei knappen Wahlen inzwischen manchmal sogar schon um Manschettenknöpfe. Wer nun speziell die Sozialdemokratie verstehen will, muß sich wohl oder übel (tendenziell eher übel) inhaltlich mit ihr auseinandersetzen. Aber keine Sorge: Es genügt vollkommen, das Parteiprogramm der SPD kurz aufzuschlagen, ein bißchen darin herumzublättern und es dann rundweg abzulehnen. Dem Himmel sei Dank!

Was also ist Sozialdemokratie? Sozialdemokratie ist die Begleitung des Menschen in seine wohlverdiente Unmündigkeit. Und was ist ein Problem? Ein Problem ist ein Zustand, dessen Abschaffung relevante Kreise für wünschenswert halten. - Nun kommen wir der Sache doch schon erheblich näher. Unsere ganze Fragestellung reduziert sich letztlich auf die triviale Überlegung, ob wir den Mob entsozialdemokratisieren wollen, d.h. ob wir ihn künftig sich selbst überlassen sollten oder nicht. Und mal ganz ehrlich: Glauben Sie denn wirklich, die Leute da draußen wüßten tatsächlich selbst, was gut für sie ist? Die meisten Leute, die man persönlich kennt, sind wohl Menschen im engeren Sinne - allen anderen sollte man aber besser nicht über den Weg trauen. So falsch liegen die Sozialdemokraten also gar nicht. Doch Obacht, das gilt natürlich nicht für ihre lächerlichen Krawatten!

Und nun kommt die große Überraschung - denn aus dieser Perspektive sind die Sozis uns Aristokraten ja nicht unähnlich, so ungern ich es zugebe. Auch wir stehen ja für die vollkommen unbegründete These, daß wir letztlich alles besser wissen bzw. besser wüßten - wenn es uns denn interessieren würde. Sie können mir nicht folgen? Das will ich hoffen, denn was verstehen Sie schon von Aristokratie? Drücken Sie sich nur weiterhin die Nase an den Fensterscheiben platt, wenn drinnen ein Gesellschaftsereignis stattfindet!

Lassen Sie mich zum Schluß noch einmal zum Kernthema dieser Folge zurückkehren: Vielleicht ist Sozialdemokratie inzwischen sogar irgendwie heilbar - wünschenswert sind solche Gedankenspiele jedenfalls nicht. Ohne Sozialdemokratie würde die Mehrzahl der Menschen eigene Entscheidungen treffen, möglicherweise gar zu ihrem Wohl. Doch wie schädlich eigene Gedanken sein können, erfährt jeder von uns im täglichen Leben. Nein, nein, wir Aristokraten brauchen die Sozialdemokratie so, wie sie ihre Hinterzimmer im Ruhrgebiet braucht. O Münte, währe ewig!

Herzliche Grüße aus Rintheim sendet Ihnen


Ihr badischer Beobachter